Erinnerungspolitische Impulse für eine offene Gesellschaft

Miteinander e.V. und BgR Magdeburg beteiligen sich an der Aktionswoche „Eine Stadt für alle“

Grellbunter Hintergrund. Davor der Slogan: "Eine Stadt für alle. Initiative Weltoffenes Magdeburg".

Am 16. Januar 1945 traf Magdeburg im Zuge des Luftkriegs ein umfassendes Flächenbombardement, das zahlreiche zivile Opfer forderte. Dieses Ereignis und der nachfolgende Wiederaufbau prägten die Stadtentwicklung von Grund auf. Die breite zivilgesellschaftliche Initiative Weltoffenes Magdeburg greift die bis zum heutigen Tag fortwirkende Zäsur alljährlich als Ausgangspunkt der Aktionswoche „Eine Stadt für alle“ auf, die jeweils mit dem 27. Januar, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, ihr Ende findet.

Auch wir – Miteinander e.V. und Bündnis gegen Rechts Magdeburg sind Teil der Aktionswoche „Eine Stadt für alle“ und freuen uns dabei zu sein. Gemeinsam mit unserem Partner, der Stadtbibliothek Magdeburg – legen wir mit der Fortsetzung des Gedenkjahrs Magdeburg die Erinnerung an die lokalen Opfer des Nationalsozialismus und ihre Bedeutung für die demokratische Gesellschaft der Gegenwart in den Mittelpunkt unserer Beiträge.

Denn so verstehen wir den Kern der Aktionswoche: Sie stellt das jährliche Gedenken an die Bombardierung Magdeburgs in den Zusammenhang des Kriegsgeschehens insgesamt, um die Erinnerungspraxis zu öffnen. Der Zweite Weltkrieg ist durch das Deutsche Reich nicht nur als Angriffs- und Eroberungskrieg entfacht worden. Von Beginn an wurde der Konflikt vielmehr auch als ideologisch motivierter Vernichtungskrieg geführt. Die Ermordung der europäischen Jüdinnen und Juden erfolgte fortwährend gezielt parallel zu militärischen Handlungen. Der NS-Ideologie einer homogenen Volksgemeinschaft vielen Angehörige vieler weitere Minderheiten und Bevölkerungsgruppen zum Opfer: Sinti*zze und Rom*nja, Osteuropäer*innen, Behinderte, Personen mit „abweichendem Verhalten“, politische Gegner*innen u.v.m. wurden ermordet oder versklavt.

Will das Gedenken anlässlich des 16. Januars diesen Kontext angemessen berücksichtigen, so muss es sich daher auf zwei Gruppen von Leidtragenden richten, deren Geschichte und Schicksale aber nicht nebeneinanderstehen, sondern aufs Engste miteinander verbunden sind. Damit beziehen wir und viele Akteur*innen Magdeburgs jedes Jahr aufs Neue erinnerungspraktisch Position gegenüber relativierenden Sichtweisen auf die Geschehnisse, die Leid und Opfer mit dem Ziel gegenüber stellen sowie deutsche Schuld und Verantwortung in Zweifel zu ziehen. Andererseits rufen vielgestaltige Beiträge zur Aktionswoche das umfassende Ausmaß des zerstörerischen und mörderischen Handelns, das auf nahezu allen gesellschaftlichen Ebenen getragen wurde, ins Bewusstsein.

Angesichts des Erstarkens und der Normalisierung rechtsextremer Diskurse ist eine demokratische erinnerungspolitische Positionierung umso notwendiger – auch als Antwort auf den wachsenden Antisemitismus.

Veranstaltung im Rahmen des Gedenkjahrs Magdeburg

(Menschen)Zoogeschichte(n) – Unerhörte Stimmen der Kolonialgeschichte
Vortrag von Johanna Tönsing
18.01.2024 | 17:00 Uhr | Stadtbibliothek

Veranstalter: Stadtbibliothek Magdeburg, Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Starke Frauen in der Lichtenburg
Lesung und Gespräch mit Petra Reichenbach
18.01.2024 | 19:30 Uhr | Stadtbibliothek

Veranstalter: Stadtbibliothek Magdeburg, Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt

Interreligiöser Friedensweg
Kundgebungen und Stadtrundgang
20.01.2024 | 15 Uhr | St. Petri Kirche

Veranstalter: Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrum, Bistum Magdeburg, Evangelische Domgemeinde, Evangelische Studierendengemeinde Magdeburg, Förderverein Neue Synagoge Magdeburg e.V., Jüdische Gemeinde zu Magdeburg e.V. Kathedralgemeinde St. Sebastian, Katholische Erwachsenenbildung Sachsen-Anhalt e.V., Roncalli-Haus, Bürgerinitiative „Mut zur Begegnung“, Miteinander e.V., Weltladen Magdeburg

Nazis und der Nahe Osten – Wie der islamische Antisemitismus entstand
Autorenlesung mit Matthias Küntzel
22.01.2024 | 19:30 Uhr | Stadtbibliothek

Veranstalter: Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt, Stadtbibliothek Magdeburg

Von ihrer Kirche verlassen…
Vortrag und Gespräch mit Waltraud Zachhuber
24.01.2024 | 17 Uhr | Stadtbibliothek

Veranstalter: Stadtbibliothek Magdeburg, Miteinander e.V.

Zerbrechlich und Wortgewaltig: Stimmen von Frauen gegen das Vergessen, gegen Verachtung und Unterdrückung
Lesung
25.01.2024 | 17 Uhr | Stadtbibliothek

Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung Sachsen-Anhalt, Stadtbibliothek Magdeburg, Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt

Verqueres Denken – Reichsbewegte und Querdenkende
Vortrag und Gespräch mit Andreas Speit
25.01.2024 | 19:30 | Stadtbibliothek

Veranstalter: Landeszentrale für politische Bildung Sachsen-Anhalt, Stadtbibliothek

Der Taten erinnern, der Opfer gedenken
Kundgebung und Lesung zum Internationalen Holocaust-Gedenktag
27.01.2024 | 16 Uhr | Willy-Brandt-Platz (vor dem Hbf.)

Veranstalter: Stadtbibliothek Magdeburg, Miteinander e.V., Bündnis gegen Rechts Magdeburg

Details zu den Veranstaltungen und eine Übersicht zum Gesamtprogramm der Aktionswoche „Eine Stadt für alle“ finden sich auf der Website der Initiative Weltoffenes Magdeburg.

“Deutsche Arbeit” statt freie Gewerkschaften. Die Erstürmung der Gewerkschaftshäuser am 2. Mai 1933

Am 2. Mai jährt sich zum 90. Mal die Erstürmung der Gewerkschaftshäuser in ganz Deutschland durch die Nationalsozialisten, so auch in Magdeburg. Gewerkschaftliches Eigentum wurde beschlagnahmt, aktive Gewerkschafter:innen misshandelt und verhaftet. Im Rahmen des Gedenkjahrs Magdeburg 2023erinnert der DGB mit einer Gedenkveranstaltung am Dienstag, den 2. Mai 1933, um 17 Uhr im Gewerkschaftshaus (Otto-von-Guericke-Str. 6) erinnert an die gewaltsamen Ereignisse und die Zerschlagung der Gewerkschaften 1933.

Nach dem martialisch gefeierten “Tag der Arbeit” besetzten SA und SS-Mitglieder der Magdeburger „Standarte 21“ am 2. Mai 1933 gewaltsam die Büros der freien Gewerkschaften. Auch das erst 1932 fertiggestellte “Haus der Gewerkschaften“ am Ratswaageplatz wurde in Besitz genommen und wenig später von der DAF als „Haus der deutschen Arbeit“ wiedereröffnet.

Der DGB – Region Altmark-Börde-Harz gedenkt der gewaltsamen Zerschlagung der Gewerkschaften mit einem Vortrag des Magdeburger Historikers Guido Skirlo.

Georg Prick erinnert an den Magdeburger Juristen und Politiker Otto Landsberg

Als einer von sechs Mitgliedern im „Rat der Volksbeauftragten“ während der Novemberrevolution 1918 ist Otto Landsberg in die Geschichtsbücher eingegangen. Über Jahrzehnte hinweg wirkte der spätere erste Justizminister der Weimarer Republik in Magdeburg, woran der Jurist Georg Prick am Mittwoch, 29. März, um 17 Uhr in einem Vortrag zum „Gedenkjahr Magdeburg 2023“ in der Stadtbibliothek erinnert.

Eine rote Stadt wird braun. Die umstürzenden Ereignisse von 1933

Dienstag, 14.03.2023 | 17 Uhr | Stadtbibliothek Magdeburg

Im Vorfeld der von den Nazis angesetzten Reichstagswahlen am 5. März und den Kommunalwahlen am 12. März 1933 kam es zu zahlreichen machtpolitischen Inszenierungen der Nationalsozialisten und einer Welle gewaltsamer Angriffe auf Repräsentanten der Stadtgesellschaft. Prominenteste Opfer waren der damalige Oberbürgermeister Ernst Reuter und sein Stellvertreter Herbert Goldschmidt. Die kommentierte Lesung aus der Berichterstattung des Magdeburger General-Anzeigers in Kooperation von Stadtbibliothek und Miteinander e.V. erinnert an die institutionellen und gewalttätigen Maßnahmen zur „Machtergreifung“ in Magdeburg.

Die Veranstaltung findet im Rahmen des „Gedenkjahrs Magdeburg 2023“ statt, das anlässlich der Jahrestage, die mit dem Beginn und der weiteren Entwicklung der nationalsozialistischen Diktatur verbunden sind, einen Beitrag zur Stärkung der Gedenkkultur als Teil einer demokratischen Stadtkultur leisten möchte. Die Schirmherrschaft des „Gedenkjahrs Magdeburg 2023“ hat Regina-Dolores Stieler-Hinz, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur, Schule und Sport der Landeshauptstadt Magdeburg, übernommen. Die Projektumsetzung wird ermöglicht durch die Institutionelle Förderung von Miteinander e.V. mit Mitteln des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt.

Wir gedenken der deportierten Sinti:zze und Rom:nja aus Magdeburg

Vor 80 Jahren, am 1. März 1943, löste die Stadt Magdeburg das sogenannte Zig.lager am Holzweg/Silberberg auf. Die Bewohner:innen wurden nach Auschwitz deportiert, wo 340 Sinti:zze und Rom:nja ermordet wurden. Miteinander e.V., das Bündnis gegen Rechts und die Stadtbibliothek Magdeburg laden zum Gedenken ein.

Die Gedenkveranstaltung findet am Mittwoch, den 1. März 2023, um 16.00 Uhr an der Namensstele beim Florapark (Olvenstedter Graseweg, Fußgängerzugang zum Florapark) statt. Die Ansprachen halten Dr. Cornelia Poenicke, Direktorin der Stadtbibliothek, in Vertretung von Regina-Dolores Stieler-Hinz, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur, Schule und Sport sowie Gjulner Sejdi, Vorsitzender von Romano Sumnal – Verband der Roma und Sinti in Sachsen.

Der 80. Jahrestag der Deportation der Sinti:zze und Rom:nja ist zudem Anlass für eine weitere Veranstaltung am Mittwoch, den 8. März 2023, um 17 Uhr in der Stadtbibliothek. Unter dem Titel „Kampf um die Erinnerung. Das Gedenken an Verfolgung und Ermordung der Sinti:zze und Rom:nja im Nationalsozialismus“ skizziert Leonard Stöcklein die Aufarbeitung des Porajmos, dem Holocaust an den Sinti:zze und Rom:nja, und diskutiert anhand konkreter Beispiele auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene verschiedene erinnerungskulturelle Fragen. Auch hierzu laden wir Sie herzlich ein.

Beide Veranstaltungen finden im Rahmen des „Gedenkjahrs Magdeburg 2023“ statt, das anlässlich der Jahrestage, die mit dem Beginn und der weiteren Entwicklung der nationalsozialistischen Diktatur verbunden sind, einen Beitrag zur Stärkung der Gedenkkultur als Teil einer demokratischen Stadtkultur leisten möchte. Die Schirmherrschaft des „Gedenkjahrs Magdeburg 2023“ hat Regina-Dolores Stieler-Hinz, Bürgermeisterin und Beigeordnete für Kultur, Schule und Sport der Landeshauptstadt Magdeburg, übernommen.

Zum Hintergrund

Am 4. März 1935 hatte die Stadtverwaltung Magdeburg die Errichtung eines „Zig.lagers“ beschlossen. Ab Mai 1935 mussten hier alle Sinti:zze und Rom:nja der Stadt unter widrigen Lebensbedingungen wohnen. Am 1. März 1943 wurde das Lager in einer gemeinsamen Aktion von Gestapo und Polizei aufgelöst. Sämtliche Bewohner:innen wurden verhaftet und mit 10 bis 15 Lastwagen zum Magdeburger Polizeipräsidium gebracht. Weitere Sinti:zze und Rom:nja, die nicht im Lager gelebt hatten, wurden von der Polizei gewaltsam aus ihren Wohnungen gezerrt und ebenfalls im Polizeipräsidium inhaftiert. Tags darauf wurden die Inhaftierten zusammen mit Sinti:zze und Rom:nja aus der Region vom Güterbahnhof mit dem Zug nach Auschwitz deportiert. Von 470 Deportierten überlebten 340 die Liquidierung des dortigen „Zigeunerlagers“ nicht. Insgesamt fielen dem Porajmos – dem Völkermord an den Sinti:zze und Rom:nja im Nationalsozialismus – mindestens 200.000 Menschen zum Opfer.